lobesam

Samstag, 2. September 2006

Entfremdung

Zeit
geht umher
in Kleidern
aus Glück
und Unglück.

Der im Unglück
spricht mit der Klapperstimme
der Störche, die Störche
meiden ihn: sein Gefieder
schwarz, seine Bäume schatten,
da ist Nacht, seine Wege
gehn in der Luft.


[Johannes Bobrowski: Sarmatische Zeit, Gedichte, 1961]

„Ich will 125 Gedichte schreiben, das Ganze ordentlich verteilt auf drei Bücher, das ist dann alles, und ich leg mich ins Grab.“ So Bobrowski in einem Interview. Hat er auch so gemacht.

Freitag, 1. September 2006

Allmacht

Forschen Fragen
Du trägst Antwort
Fliehen Fürchten
Du stehst Mut!
Stank und Unrat
Du breitst Reine
Falsch und Tücke
Du lachst Recht!
Wahn Verzweiflung
Du schmiegst Selig
Tod und Elend
Du wärmst Reich!
Hoch und Abgrund
Du bogst Wege
Hölle Teufel
Du siegst Gott!

[August Stramm: Allmacht, Gedichte, 1915]

August Stramm, wichtigster Dichter und Dramatiker des deutschen Expressionismus, starb am 1. September 1915. Ein enger Freund Oskar Kokoschkas, Franz Marc und Alfred Döblin schrieben engagierte Nachrufe. Kurt Schwitters berief sich auf ihn, Paul Hindemith vertonte ihn, Max Reinhard inszenierte ihn. Arno Schmidt, Ernst Jandl und Gerhard Rühm sind ohne ihn nicht denkbar. Heute ist er vergessen … weitgehend.

Donnerstag, 31. August 2006

Trois mille six cents fois ,,,


Trois mille six cents fois par heure, la Seconde
Chuchote: Souviens-toi!-Rapide, avec sa voix
D'insecte, Maintenant dit: Je suis Autrefois,
Et j'ai pompé ta vie avec ma trompe immonde!

[Baudelaire-Skulptur: Cimetière du Montparnasse, Paris]

Es zischt dreitausend und sechshundertmal von droben:
Erinnre dich! die Stunde. - Eh du's meinst
Zirpt Gegenwart wie ein Insekt: Ich bin das Einst
Und hab mit eklem Rüssel Blut aus dir gehoben.

[Charles Baudelaire: Les Fleurs du Mal,
Gedichtzyklus 1857, Übersetzung Walter Benjamin ]

Mittwoch, 30. August 2006

Vor 63 Jahren ...








[R. Crumb: CRADLE TO GRAVE]

Dienstag, 29. August 2006

Ultra Violett

Ultra Violett,
das Einsame, sprach zu mir:
Noch lebe ich unsichtbar.
Aber ihr könnt mich alle empfinden.
Versucht es mich zu erkennen.
Ich will euch neue Sonnen,
Neue Welten geben.

[Max Dauthendey: Ultra Violett, 1893]

"Max Dauthendey wäre ein großer Dichter geworden, wenn er mehr Geld gehabt hätte. Das klingt seelenroh, aber die Kunst geht nicht nur nach Brot, sie wächst auch durch das Brot. Es steht ein Haus auf dem Frauenplan in Weimar, in dem einem die Zusammenhänge zwischen Geld und Größe aufgehen. Dauthendey gehörte zu dem schon vor dem ersten Weltkrieg so gut wie ausgestorbenen Dichterschlag, der sich einbildete, daß die Welt für ihn sorgen müsse, damit er dichten könne.

Er war berühmt, aber nicht bekannt; er fehlte in keiner Literaturgeschichte, aber in den Buchhandlungen. Er war kein Epigone und kein neuer Anfang, (...) aber tatsächlich erinnert diese Lyrik an nichts so sehr wie an Malerei, an Farben, genauer gesagt: eine Farbenorgel, zierlich hingesetzte Buntheit neben wild herausgeschleuderten Klecksen; nicht zufällig hieß einer dieser Gedichtbände "Ultraviolett", denn über diesen Versen liegt wahrhaftig eine mit freiem Auge nicht mehr wahrnehmbare Farbenwelt."

[Andreas Sattler: Alles für eine Weltreise, 1958]

Montag, 28. August 2006

... ein Dilettant, ein Pfuscher

Charlotte von Stein war es, die einen dahergelaufenen Flegel, dessen 257. Geburtstag heute gedacht wird, zu einem halbwegs brauchbaren Mitmenschen dressiert hat. Charlotte klagt über enttäuschte Liebe: Der ehemalige Geliebte ein Hypochonder und Poseur. Er versagt in den Prüfungen der Liebe und ist bestenfalls in der Lage, seine Affären für ein voyeuristisches Publikum literarisch aufzuarbeiten. Als Maler, Dichter wie auch Minister ein Dilettant, ein Pfuscher. Johann Wolfgang Goethe, hat fluchtartig und ohne Nachricht zu hinterlassen, Weimar in Richtung Italien verlassen.

Peter Hacks [1, 2], vor drei Jahren gestorben, war der erfolgreichste Dramatiker der DDR. In seinem erfolgreichsten Stück „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ lässt er in einem furiosen Bühnenmonolog Charlotte von Stein mit Goethe und sich selbst abrechnen.

Sonntag, 27. August 2006

Das Ding ist Ich

Das Ding ist Ich; in der Tat ist in diesem unendlichen Urteile das Ding aufgehoben; es ist nichts an sich; es hat nur Bedeutung im Verhältnisse, nur durch Ich und seine Beziehung auf dasselbe. - Dies Moment hat sich für das Bewusstsein in der reinen Einsicht und Aufklärung ergeben. Die Dinge sind schlechthin nützlich, und nur nach ihrer Nützlichkeit zu betrachten. - Das gebildete Selbstbewusstsein, das die Welt des sich entfremdeten Geistes durchlaufen, hat durch seine Entäußerung das Ding als sich selbst erzeugt, behält daher in ihm noch sich selbst, und weiß die Unselbstständigkeit desselben, oder dass das Ding wesentlich nur Sein für Anderes ist; oder vollständig das Verhältnis, d.h. das, was die Natur des Gegenstandes hier allein ausmacht, ausgedrückt, so gilt ihm das Ding als ein fürsichseiendes, es spricht die sinnliche Gewissheit als absolute Wahrheit aus, aber dies Für-sich-sein selbst als Moment, das nur verschwindet, und in sein Gegenteil, in das preisgegebne Sein für anderes übergeht.

Hierin ist aber das Wissen des Dinges noch nicht vollendet; es muss nicht nur nach der Unmittelbarkeit des Seins und nach der Bestimmtheit, sondern auch als Wesen oder Inneres, als das Selbst gewusst werden. Dies ist in dem moralischen Selbstbewusstsein vorhanden. Dies weiß sein Wissen als die absolute Wesenheit, oder das Sein schlechthin als den reinen Willen oder Wissen; es ist nichts als nur dieser Willen und Wissen; anderem kommt nur unwesentliches Sein, d.h. nicht ansichseiendes, nur seine leere Hülse zu. Insofern das moralische Bewusstsein das Dasein in seiner Weltvorstellung aus dem Selbst entlässt, nimmt es dasselbe ebensosehr wieder in sich zurück. Als Gewissen ist es endlich nicht mehr dieses noch abwechselnde Stellen und Verstellen des Daseins und des Selbst, sondern es weiß, dass sein Dasein als solches diese reine Gewissheit seiner selbst ist; das gegenständliche Element, in welches es als handelnd sich hinausstellt, ist nichts anderes als das reine Wissen des Selbst von sich.“ [Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, VIII Das absolute Wissen, 1807]

[René Magritte: Hegel's Holiday, 1957]

Samstag, 26. August 2006

Kanonenfutter

Hinter den Mauern, hinter den Schlöten,
Liegt euer Vaterland,
Ihr sollt euch schlagen dafür und töten,
Und habt es niemals gekannt.

[Ludwig Thoma: Peter Schlemihl, 1913]

Mittwoch, 23. August 2006

Maulana Nuruddin Abdul Rahman Jami

Mit den Zähnen den Stahl schneiden
Mit den Nägeln den Granitstein meißeln
Ins Feuer sich tauchen lassen
Mit den Wimpern Glutstücke fangen
Die Last hunderter Kamele auf das Haupt laden
sie vom Orient bis Okzident tragen
Dies ist leichter für Jami als
die Gemeinen zu preisen

Maulana Nuruddin Abdul Rahman Jami (Djami bzw. Dschami) erblickte am 16. „Akrab“ des Sonnenjahrs 817 H. in der historischen Stadt Jam in der Provinz Herat das Licht der Welt. Jami wirkte in der letzten Periode der Timoriden-Dynastie als Dichter, Musikwissen-schaftler, Linguist, Theologe und Rhetoriker.

Wieder da ...

Honoré de Balzac lieferte einen der bestechendsten Beweise für die Abwesenheit Gottes: „Es gibt Männer, die dümmer und auch wirklich hässlicher sind, als Gott sie gemacht haben würde.“

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Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
Danke
huflaikhan - 28. Aug, 08:25
Ich mag sowas ja sehr...
Ich mag sowas ja sehr gerne lesen, vor allem richtig...
huflaikhan - 26. Dez, 16:15
Hatschi
... ok, bin wieder auf dem Boden der Tatsachen.. ;-)
jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
Das ist in der Nordeifel:...
Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
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Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
BusterG - 17. Dez, 00:23
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BusterG - 17. Dez, 00:21
Natürlich ist das ...
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BusterG - 17. Dez, 00:21

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